Archiv Oktober 2011

Ein Traditionsverband im Aufbruch

Der Maler Manfred Kandt schuf 1986 das Tafelbild „In ihrem Geiste". Ein Gruppenbildnis ( 2,50 x 4,50 m ), das mit einem historischen Figurenensemble die militärischen und revolutionären Traditionen der 1956 gegründeten Nationalen Volksarmee künstlerisch nachzustellen versuchte. Und da standen sie aufgereiht, posierten sie für uns, ihre späteren Erben:

Die bewaffneten Bauern aus Münzers rebellischem Haufen, die Kommunarden von Paris, die preußischen Reformer und die Aufständischen der 1848er Revolution, die Roten Matrosen von Kiel und die spanischen Interbrigadisten, der Mann vom Roten Frontkämpferbund, die Antifaschisten vom Nationalkomitee Freies Deutschland und der Sowjetsoldat. Ihr aller Kampf für die Sach' des gemeinen Mannes gegen Unrecht und Unterdrückung, gegen Militarismus, Faschismus und Krieg, fand in der Rolle der Nationalen Volksarmee Aufbewahrung und Fortsetzung.

Diesseits der Barrikade will der Traditionsverband jetzt verlassenes Terrain neu besetzen und dafür viele Mitstreiter gewinnen. In Strausberg und Leipzig konstituierten sich Standortgruppen. Weitere Gründungsveranstaltungen sollen folgen. Höchste Zeit, denn die Verteufelung von Alternativen zum Kapitalismus, insbesondere die Kriminalisierung der DDR und ihrer bewaffneten Organe, schlagen immer höhere Wellen und fordern Widerspruch, Rückkehr zur Realität und Gegenmacht heraus. Das Vorhaben des Verbandes setzt Rücksichtnahme gegenüber vielerorts schon bestehenden Organisationsformen voraus, in denen frühere Angehörige der NVA, Truppenteile, Waffengattungen und Dienste seit Jahrzehnten Erinnerungskultur pflegen.

Dieses Engagement will der Verband weder ersetzen noch einschränken. Sein spezifisches Anliegen bewegt sich auf einer anderen Ebene. Es hat erstens die schöpferische Aneignung des revolutionären Erbes zum Inhalt, es entfaltet sich zweitens auf einer ungleich größeren territorialen Grundlage und zielt drittens auf eine bundesweite Öffentlichkeit.

Ein anspruchsvolles Unterfangen, bei dem es vordergründig nicht um die Konservierung von Vergangenheit, sondern vielmehr um die Sammlung und Mobilisierung von Kräften zur Lösung von Gegenwarts- und Zukunftsfragen geht. Dafür ist natürlich eine mitgliederstarke Organisation erforderlich. Vorausgesetzt, möglichst viele der „Ehemaligen", egal ob sie nun 18 Monate, einige Jahre oder Jahrzehnte gedient haben, fühlen sich von den Traditionen der NVA angesprochen, bekennen sich dazu und nehmen erneut davon Besitz.

Eben das zu tun, könnte doch aus den derzeitigen gesellschaftlichen Verhältnissen geschlussfolgert werden. Der Kampf um eine bessere Welt, um ein besseres Deutschland ohne Finanzhaie und Aufrüstungsweltmeister, ohne Krieg und soziales Unrecht ist noch nicht beendet, eine sozialistische Alternative verteidigungswürdig.

In„ Minna von Barnhelm" bringt es Gotthold Ephraim Lessing auf den Punkt:

Man muss Soldat sein für sein Land oder aus Liebe zu der Sache, für die gefochten wird. Ohne Absicht heute hier, morgen da zu dienen, heißt wie ein Fleischerknecht reisen, weiter nichts.

Kunstwerke der DDR, wie das von Manfred Kandt geschaffene „In ihrem Geiste", verschwanden nach 1990 zu Tausenden im bundesrepublikanischen Museumsknast, wurden weggeschlossen oder liquidiert. Man sieht es hierzulande nicht gern, wenn sich das Volk seiner historischen Vorbilder besinnt.

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von web597 (Kommentare: 0)