Zu "Die Welt bereitet sich auf einen Krieg vor" II

Wie bereitet man Aggressionskriege vor?

Die Berichterstattung in den Medien vermittelt derzeit den Eindruck, als würde der Konflikt zwischen dem Iran und den USA von beiden Seiten eskaliert. Dabei wird in der Regel nur noch am Rande erwähnt, dass die Trump-Administration es war, die den funktionierenden Atom-Vertrag mit dem Iran ausgehebelt hat.

Manch einer wird so zum medialen Büchsenspanner für jene Politiker, die einem Flottenaufmarsch unter deutscher Beteiligung das Wort reden. Die zunehmend einseitige Berichterstattung der Medien vollzieht sich in homöopathischen Dosen. Nur so kann man einen solchen Einsatz innenpolitisch „verkaufen“. Dabei ist das Vorgehen relativ simpel:

Bereits vor Beginn des eigenen militärischen Engagements in einem regionalen Konflikt wird ein vorab definiertes Kriegsbild mit klaren Freund-Feind-Zuweisungen in der öffentlichen Wahrnehmung verankert. Durch tendenziöse Berichterstattung in den Medien, die Manipulation von Beweisen, die Konstruktion wenig belastbarer Indizienketten soll die Öffentlichkeit präventiv von der Alternativlosigkeit militärischer Interventionen überzeugt werden. Dabei soll – ähnlich wie in der Produktwerbung – durch ständige Wiederholungen immer dramatisierenderer Darstellungen über einen längeren Zeitraum sowie durch eine Vielzahl inhaltlich homogen aufbereiteter Kommunikationskontakte der Erinnerungswert der Kriegsbotschaft erhöht und die öffentliche Meinungsbildung nach einem vorab konstruierten Muster strukturiert werden. So wird die Öffentlichkeit bereits auf klare Freund-Feind-Muster eingeschworen, lange bevor ein Waffengang überhaupt ansteht.

Doch simples Verschweigen oder Verdrehen von Tatsachen genügt in einer medial vernetzten Welt nicht mehr. Der Vietnamkrieg hat die US-Militärs gelehrt, dass eine unkontrollierte Kriegsberichterstattung durch die Emotionalisierung der Debatten in der Heimat die Führung eines Krieges nicht nur behindern, sondern unmöglich machen kann. Bei allen darauffolgenden Waffengängen wurde daher nicht nur auf die langfristige, scheinbar wertebasierte Legitimation des Einsatzes der Truppen in der Öffentlichkeit geachtet. Vielmehr sorgte das Militär dafür, dass nur jene Informationen für die Medien freigegeben wurden, die das vorab entwickelte Kriegsbild bestätigten.

Kern dieser Strategie sind subtile mediale Inszenierungen. Grünstichige Aufnahmen nächtlicher Luftangriffe auf angebliche militärische Einrichtungen des Gegners kann kein Zuschauer auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen. Inszenierungen dieser Art dienen der Provokation und Diskreditierung des Gegners sowie zur politischen Aufstachelung der eigenen Öffentlichkeit. Man erinnere sich an die unscharfen und verwackelten Videoberichte über den angeblichen Angriff iranischer Revolutions-garden auf westliche Tanker.

Eine andere Form der Inszenierung erweist sich als ähnlich effektiv: Bilder und Textberichte der Medien knüpfen an reale Vorgänge an, blenden aber alle oder einige Aspekte aus, die nicht in das gewollte Kommunikationskonzept passen. Man lügt nicht, man lässt nur bestimmte Informationen weg. So geschehen beim Abschuss einer US-Aufklärungsdrohne durch die iranische Luftabwehr. Trump erklärte den Verzicht auf einen Gegenschlag mit der unverhältnismäßig hohen Zahl möglicher iranischer Opfer. Tatsächlich war der Flug der Drohne und des Begleitflugzeuges eine militärische Aufklärungsmission zur Ausspähung der iranischen Luftverteidigungskräfte. Das Aufklärungsergebnis war offenbar so ernüchternd, dass auf einen unmittelbar bevorstehenden amerikanischen Angriffsschlag, den man als Vergeltungsangriff ausgeben wollte, verzichtet werden musste.

Eine besondere Herausforderung für die Kommunikationsexperten sind Inszenierungen, bei denen zwar reale Vorgänge authentisch und präzise beschrieben werden, die aber dennoch die Legitimation des Krieges stützen. Bilder des von iranischen Kräfte festgesetzten britischen Tankers sind nicht verfälscht. Dass die Beschlagnahme eine Reaktion auf eine ähnliche Aktion der britischen Marine zur Durchsetzung des westlichen Embargos gegen den Iran und gegen Syrien war, spielte sehr schnell keine Rolle mehr. Die Bilder stützen scheinbar die US-Vorwürfe, der Iran sei eine Gefahr für die freie Schifffahrt und Hauptverursacher der Spannungen in der Region. So erscheint eine westliche Marinemission folgerichtig und notwendig.

Besonders effektiv für solche Inszenierungen im Kriegsverlauf sind sogenannte eingebettete Kriegsberichterstatter, die mit der Truppe vorrücken und scheinbar authentische Bilder und Berichte liefern. Die Administration von George W. Bush begründete den zweiten Krieg gegen Saddam mit dessen angeblicher Verfügung über Massenvernichtungswaffen. Diese Behauptung war – wie man damals schon wissen konnte – völlig aus der Luft gegriffen. Wenn nun etwa im Aufmarschraum der US-Truppen kurz vor Kriegsbeginn ein „eingebetteter“ TV-Journalist berichtet, wie die Soldaten einer US-Einheit unter Schutzausrüstung den Angriff in der Wüste üben, reflektiert er damit das wirkliche Geschehen im Kriegsgebiet. Die Soldaten trainieren engagiert, weil sie glauben, dass das Training notwendig ist. Die Reportage vermittelt in der Heimat das Bild zu allem entschlossener amerikanischer Helden, die sich auf den Kampf unter Einsatz irakischer Massenvernichtungswaffen vorbereiten – Waffen, die es de facto nicht gibt. Alles scheint zu stimmen – nur basiert der reale Vorgang auf nachrichtendienstlichen Manipulationen der Öffentlichkeit. Der Bericht vom Kriegsschauplatz stützt so verdeckt die große Propagandainszenierung zur Legitimierung des Krieges.

So versuchen Militär und Politik die Heimatfront unter Kontrolle und bei Laune zu halten. Kommunikationspolitik wird in perfektionierter Form zum Instrument der Kriegsvorbereitung und Kriegführung. Wer jedoch die Methoden der Irreführung kennt, kann die in den Medien vermittelten Informationen hinterfragen. Die Kultur des Misstrauens einer breiten Öffentlichkeit gegenüber staatlichen Inszenierungen zur Legitimation von Kriegen breitet sich aus und die informationstechnologische Vernetzung bietet eben nicht nur diversen Nachrichtendiensten ungeahnte Chancen für die flächendeckende Erfassung und Auswertung von Massendaten, sondern sie sorgt auch dafür, dass im abgeschotteten System administrativer Kriegsvorbereitung und militärischer Kriegführung immer mehr undichte Stellen entstehen, durch die diverse kommunikationspolitische Manipulationsversuche und sonstige verdeckte Machenschaften bekannt werden.

von Gast (Kommentare: 0)

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